können. Und wenn sich auch am Feierabend herausstellt, dass sie mit all der braven Arbeit nur 1 fl. 50 kr. oder 3 Francs oder was Sie wollen, verdient haben, werden sie doch mit Hoffnung in den nächsten Tag blicken, der vielleicht besser sein wird.
Wir haben ihnen die Hoffnung geschenkt.
Will man wissen, wo wir die Bedürfnisse hernehmen, die wir für die Märkte brauchen? Muss das wirklich noch gesagt werden?
Ich zeigte früher, dass durch die Assistance par le travail der fünfzehnfache Verdienst erzeugt wird. Für eine Million fünfzehn Millionen, für eine Milliarde fünfzehn Milliarden.
Ja, ob dies im Grossen auch so richtig ist wie im Kleinen? Der Ertrag des Capitales hat doch in der Höhe eine abnehmende Progression? Ja, des schlafenden, feige verkrochenen Capitals, nicht der des arbeitenden. Das arbeitende Capital hat sogar in der Höhe eine furchtbar zunehmende Ertragskraft. Da steckt ja die sociale Frage.
Ob das richtig ist, was ich sage? Ich rufe dafür die reichsten Juden als Zeugen auf. Warum betreiben diese so viele verschiedene Industrien? Warum schicken sie Leute unter die Erde, um für mageren Lohn unter entsetzlichen Gefahren Kohle heraufzuschaffen. Ich denke mir das nicht angenehm, auch nicht für die Grubenbesitzer. Ich glaube ja nicht an die Herzlosigkeit der Capitalisten, und stelle mich nicht als ob ich es glaubte. Ich will ja nicht hetzen, sondern versöhnen.
Brauche ich das Phänomen der Menge, und wie man sie nach beliebigen Punkten zieht, auch noch an den frommen Wanderungen zu erklären?
Ich möchte Niemandes heilige Empfindungen durch Worte verletzen, die falsch ausgelegt werden könnten.
Nur kurz deute ich an, was in der mohammedanischen Welt der Zug der Pilger nach Mekka ist, in der katholischen Welt Lourdes und so zahllose andere Punkte, von wo Menschen durch ihren Glauben getröstet heimkehren, und der heilige Rock zu Trier. So werden auch wir dem tiefen Glaubensbedürfnisse unserer Leute Zielpunkte errichten. Unsere Geistlichen werden uns ja zuerst verstehen, und mit uns gehen.
Wir wollen drüben jeden nach seiner Façon selig werden lassen. Auch und vor allem unsere theuren Freidenker, unser unsterbliches Heer, das für die Menschheit immer neue Gebiete erobert.
Auf Niemanden soll ein anderer Zwang ausgeübt werden, als der zur Erhaltung des Staates und der Ordnung nöthige. Und dieses Nöthige wird nicht von der Willkür einer oder
Theodor Herzl: Der Judenstaat, Berlin und Wien 1896, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DE_Herzl_Judenstaat_62.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)