darauf einrichten. Zeigen wir das an einem Beispiel. Die Firma X hat ein grosses Modewaarengeschäft. Der Inhaber will auswandern. Er etablirt zunächst an seinem künftigen Wohnort eine Filiale, an die er seine ausgemusterte Waare abgibt. Die armen ersten Auswanderer sind drüben seine Kundschaft. Allmälig ziehen Leute hinüber, die höhere Modebedürfnisse haben. Nun schickt X neuere Sachen, und endlich die neuesten. Die Filiale wird selbst schon einträglich, während das Hauptgeschäft noch besteht. Endlich hat X zwei Geschäfte. Das alte verkauft er, oder gibt er seinem christlichen Vertreter zur Führung; er selbst begibt sich hinüber in sein neues.
Ein grösseres Beispiel: Y & Sohn haben ein ausgedehntes Kohlengeschäft mit Bergwerken und Fabriken. Wie ist solch ein riesiger Vermögenscomplex zu liquidiren? Das Kohlenbergwerk mit allem was drum und dran, kann erstens vom Staat, in dem es liegt, eingelöst werden. Zweitens kann es die Jewish Company erwerben, und den Kaufpreis theils in Ländereien drüben, theils in Baargeld bezahlen. Eine dritte Möglichkeit wäre die Gründung einer eigenen Actiengesellschaft „Y & Sohn“. Eine vierte, der Weiterbetrieb in der bisherigen Weise, nur wären die ausgewanderten Eigenthümer, auch wenn sie gelegentlich zur Inspection ihrer Güter zurückkehren, Ausländer, als die sie ja in civilisirten Staaten auch den vollen Rechtsschutz geniessen. Dies Alles sieht man ja täglich im Leben. Eine fünfte, besonders fruchtbare und grossartige Möglichkeit deute ich nur an, weil es dafür im Leben erst wenige, schwache Beispiele gibt, wie nahe das unserem modernen Bewusstsein auch schon liege. Y & Sohn können ihr Unternehmen ihren sämmtlichen jetzigen Angestellten gegen Entgelt übergeben. Die Angestellten treten zu einer Genossenschaft mit beschränkter Haftung zusammen und können vielleicht mit Hilfe der Landescasse, die keine Wucherzinsen nimmt, die Ablösungssumme an Y & Sohn auszahlen. Die Angestellten amortisiren dann das Darlehen, welches ihnen von ihrer Landescasse, von der Jewish Company oder von Y & Sohn selbst gewährt wurde.
Die Jewish Company liquidirt die Kleinsten wie die Grössten. Und während die Juden ruhig wandern, sich die neue Heimat gründen, steht die Company als die grosse juristische Person da, welche den Abzug leitet, die verlassenen Güter hütet, für die gute Ordnung des Abwickelns mit ihrem sichtbaren, greifbaren Vermögen haftet und für die schon Ausgewanderten dauernd bürgt.
Theodor Herzl: Der Judenstaat, Berlin und Wien 1896, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DE_Herzl_Judenstaat_44.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)