besteht, ist etwas kümmerlich Kleines, doch das Grösste ist daraus zu machen.
Was ist das Princip der Assistance par le travail?
Das Princip ist, dass man jedem Bedürftigen unskilled labour gibt, eine leichte, ungelernte Arbeit, wie z. B. Holzverkleinern, die Erzeugung der „margotins“, mit denen in den Pariser Haushaltungen das Herdfeuer angemacht wird. Es ist eine Art Gefangenenhausarbeit vor dem Verbrechen, das heisst ohne Ehrlosigkeit. Niemand braucht mehr aus Noth zum Verbrechen zu schreiten, wenn er arbeiten will. Aus Hunger dürfen keine Selbstmorde mehr begangen werden. Diese sind ja ohnehin eines der ärgsten Schandmale einer Cultur, wo vom Tische der Reichen den Hunden Leckerbissen hingeworfen werden.
Die Arbeitshilfe gibt also Jedem Arbeit. Hat sie denn für die Producte Absatz? Nein. Wenigstens nicht genügenden. Hier ist der Mangel der bestehenden Organisation. Diese Assistance arbeitet immer mit Verlust. Allerdings ist sie auf den Verlust gefasst. Es ist ja eine Wohlthätigkeitsanstalt. Die Spende stellt sich hier dar als Differenz zwischen Gestehungskosten und erlöstem Preise. Statt dem Bettler zwei Sous zu geben, gibt sie ihm eine Arbeit, an der sie zwei Sous verliert. Der lumpige Bettler aber, der zum edlen Arbeiter geworden ist, verdient 1 Francs 50 Centimes. Für 10 Centimes 150! Das heißt, die nicht mehr beschämende Wohlthat verfünfzehnfachen. Das heisst, aus einer Milliarde fünfzehn Milliarden machen!
Die Assistance verliert freilich die zehn Centimes. Die Jewish Company wird die Milliarde nicht verlieren, sondern riesige Gewinne erzielen.
Hinzu kommt das Moralische. Erreicht wird schon durch die kleine Arbeitshilfe, wie sie jetzt existirt, die sittliche Aufrichtung durch die Arbeit, bis der beschäftigungslose Mensch eine seinen Fähigkeiten angemessene Stellung in seinem früheren oder einem neuen Berufe gefunden hat. Er hat täglich einige Stunden für das Suchen frei, auch vermittelt die Assistance Dienste.
Das Gebrechen der bisherigen kleinen Einrichtung ist, dass den Holzhändlern etc. keine Concurrenz gemacht werden darf. Die Holzhändler sind Wähler, sie würden schreien, und sie hätten Recht. Auch der Gefangenenhausarbeit des Staates darf keine Concurrenz gemacht werden, der Staat muss seine Verbrecher beschäftigen und verpflegen.
In einer alten Gesellschaft wird für die Assistance par le travail überhaupt schwer Raum zu schaffen sein.
Theodor Herzl: Der Judenstaat, Berlin und Wien 1896, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DE_Herzl_Judenstaat_40.jpg&oldid=- (Version vom 27.6.2018)