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Seite:Clavigo. Ein Trauerspiel (Goethe) 1774 - 008.jpg

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hindern sie gar nichts. Auch sag ich ihnen nicht so viel schöne Sachen, tröste mich nicht Monate lang an Sentiments und dergleichen. Wie ich denn mit honnetten Mädchen am ungernsten zu thun habe. Ausgeredt hat man bald mit ihnen, hernach schleppt man sich eine Zeitlang herum, und kaum sind sie ein bisgen warm bey einem, hat sie der Teufel gleich mit Heurathsgedanken und Heurathsvorschlägen, die ich fürchte wie die Pest. Du bist nachdenkend, Clavigo?

Clavigo. Ich kann die Erinnerung nicht los werden, daß ich Marien verlassen – hintergangen habe, nenn’s wie du willst.

Carlos. Wunderlich! Mich dünkt doch, man lebt nur einmal in der Welt, hat nur einmal diese Kräfte, diese Aussichten, und wer sie nicht zum Besten braucht, wer sich nicht so weit treibt als möglich, ist ein Thor. Und heurathen! heurathen just zur Zeit, da das Leben erst recht in Schwung kommen soll, sich häuslich niederlassen, sich einschränken, da man noch die Hälfte seiner Wanderung nicht zurückgelegt, die Hälfte seiner Eroberungen noch nicht gemacht hat! Daß du sie liebtest, das war natürlich, daß du ihr die Ehe versprachst, war eine Narrheit, und wenn du Wort gehalten hättest, wär’s gar Raserey gewesen.

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Clavigo. Ein Trauerspiel. Weygandsche Buchhandlung, Leipzig 1774, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Clavigo._Ein_Trauerspiel_(Goethe)_1774_-_008.jpg&oldid=- (Version vom 5.1.2019)