Das Schloß an sich hat zu einer Gräfl. ja Fürstl. Hoffhaltung raumes vnd gelesses gnug / vnd drey verschiedene Stöcke oder Häuser / von grund auff gantz vnd gar wol gemauret / Insonderheit ist der Stock gegen Morgens / oder Auffgang der Sonnen / als das rechte HauptHauß / mit Welschen Giebeln recht artig gezieret / darin vnter vielen andern Zimmern / ein sehr grosser vnd herrlicher Saal / vnd darunter zwey tieffe vnd lange Keller-Gewölbe über einander / in harten Felsen gehawen / dergleichen nicht leicht zu finden. Dieses Hauß hat ein recht anmutiges vnd lustiges Außsehen / gegen Mittag in den grünen Wald / gegen Morgen vnd Mitternacht ins Land / ist Anno 1540. von Graff Vlrich zu bawen angefangen / vnd anno 1545. wie die Jahrzahl oben an dem Windelsteine anzeiget / fast fertig / jedoch inwendig noch nicht gantz außgebawet / kurtz vor dem Brande deß alten Schlosses / so den 19. Novembris deß 1546. Jahrs geschehen / zwart omnibus numeris absolviret / die incrustatio vnd das gedünche noch so frisch gewesen / daß die Medici dem Herrn Graven / vnd bevorab seiner schwangern Gemahlinnen widerrahten / weil die malignität deß frischen Kalckgedünniches einige Kranckheit nach sich zu führen pflegete / die newe Gemächer so bald zu beziehen. Es ist aber kurtz darauff die erbärmliche Einäscherung deß alten Schlosses erfolget / darin die Gräfin jämmerlich vmbkommen / der Grafe aber wunderlich ex loco secreto errettet worden.
Der ander Stock versus meridiem oder Südenwerts / ist Anno 1590. vnd in folgenden Jahren also nach dem Brande / vnd vor dergleichen Vnfall vmb so viel besser verwahret / Dieser Stock hat einen lustigen prospectum in den grünen Hartzwald. In demselben ist eine Schnecke oder Windelstein / von vnten an / biß in die oberste vnd dritte Wanderung auffgeführet / vnd so kunstreich vnd gerade auff einander gefüget / daß die Extremitäten der Windelsteine / dem jenigen / der von oben herab sihet / ein rundes Loch mit Verwunderung darstellen / dadurch man nicht allein zu vnterst vff den Grund sehen / sondern er ein Steinlein / oder sonst was schweres / ohn einigen anstoß diametraliter ad centrum werffen / oder vielmehr fallen lassen kan.
Der dritte Stock stehet versus septentionem, ist anno 1595. gebawet / Dieses Hauß hat einen schönen vnd lieblichen prospectum, nicht allein in die vnten am Schloßberg ligende Statt / sondern auch gegen Morgen / Mitternacht / vnd Abend ins Land. Mitten im Platze ist der hohe Steinfelse / auch an vnd auff demselben die rudera vnd ruinae deß alten abgebranten Schlosses Blanckenburg / zu eusserst bey dem Brunnen oben auff diesem harten vnd dürren Felsen / darin weder Safft noch Krafft zu finden / stehet dennoch ein grosser grüner / vnd recht lebhaffter Baum / gleich einer Linde / dessen Wurtzel in gestalt eines Knies / durch eine enge Klufft deß Felsen / von oben herab gar herunter gehet / nicht anders / wie auch verständige Leute der Meynung seyn / als ob die Wurtzel allgemählich den harten Felsen gespalten.
Die Statt Blanckenburg hat den Nahmen von dem Schloß Blanckenburg / vnd das Schloß den Namen von dem Felsen Blanckenstein / darauff dasselbe gebawet. Zu welcher Zeit / vnd von wem nun die Statt erbawet / davon hat man keinen grund / daß Sie aber wo nicht eben so alt / doch auch nicht viel jünger / als das Schloß seyn müsse / ist ausser allen Zweiffel. Es liget diese Statt in einer gesunden Pflege / contemplatione deß Schlosses gegen Norden / am Fuß deß Schloßberges / Sie ist aber auff gut alt Frenckisch befestiget / vnd mit Mauren vnd Thürnen zimlich verwahret.
Sonst ist Sie von je auß der wohllöbl.
Matthäus Merian: Topographia Braunschweig Lüneburg. Frankfurter Kunstverein, Frankfurt am Mayn 1654/1658, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Braunschweig_L%C3%BCneburg_(Merian)_067.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)