Walther Kabel: Bix. In: Von Nah und Fern. Illustriertes aktuelles Unterhaltungsblatt für Jedermann. Beilage zur Lienzer Zeitung. Heft 27 S.1–4, Heft 28 S.2–5, Heft 29 S.2–5, Heft 30 S.1–5, Heft 31 S.6 | |
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Ringe und der andere Tand auf so unaufgeklärte Weise verschwunden sind, daß die blitzenden Brillanten nicht mehr jene Stunden stets aufs neue erstehen lassen, in denen sie mir geschenkt wurden, um durch ihren Wert die kurz vorher begangenen Erbärmlichkeiten nun wieder gutzumachen … Damit sollte ich getröstet werden, dieser eitle Glanz sollte mich versöhnen …!“
Eine so furchtbare Bitterkeit lag in den letzten Worten, daß Benters in einer Aufwallung heißen Mitleids nach ihrer Hand haschte und diese vor innerer Erregung jetzt so eisigkalten Finger wortlos streichelte. Und in demselben Augenblick flammte draußen auf der Straße die Bogenlampe auf, ein heller Lichtschein schoß plötzlich in das Zimmer und beleuchtete Frau Käthis blasses Gesicht, dessen Augen wieder in so tiefer, hingebender Dankbarkeit die seinen gesucht hatten. Ihre Blicke, so plötzlich entschleiert und in der weißen Lichtfülle, die die glänzende Kugel in das Zimmer hineintrug, doppelt leuchtend in Wärme und Sehnsucht, ruhten ineinander, ließen nicht voneinander los. Und immer fester umklammerten seine Hände jetzt die ihren, ein heißer Strom schien aus seinen Fingern in ihren Körper überzufließen, machte sie willenlos, so matt … Und ihr Herz jagte, und aus seinen pochenden Schlägen schien es ihr zuzurufen: „Laß es nicht von Dir, das Glück – nimm’s, nimm’s hin … Es ist das echte, das wahre Glück …“
Da – aus dem Nebenraume ein helles Stimmchen, erst leise, dann deutlicher … „Mamachen … Mamachen!“ klingt’s durch die geschlossene Tür vom Schlafzimmer her, und wieder … Mamachen … Mamachen …“ –
Ihre Hände lösen sich. Der Bann ist gewichen … Und mit einem abwesenden Blick schaut Frau Käthi um sich, weicht zurück, hebt wie abwehrend die Hände gegen den Mann, der schnell aufgestanden ist und dessen lautes, heißes Atmen ihr wie eine Welle betäubenden, innigen Begehrens entgegenschlägt.
„Käthi, haben Sie doch Erbarmen mit mir!“ – Wie ein Wehruf sind seine Worte. Doch mit ängstlicher Hast gleitet sie zur Tür, verschwindet, und schnappend schlägt der Drücker ins Schloß … Benters läßt sich in den Sessel zurückfallen, lacht bitter auf. Und leise murmelt er vor sich hin: „Du tatest mir einen schlechten Dienst, Bix, einen sehr schlechten Dienst … Wärst Du doch still gewesen – nur noch Sekunden … wenige Sekunden …!“ –
Draußen Türenschlagen, Schritte, glückliches Lachen und Scherzen. Lisa und Jarotzki sind zurückgekehrt. Und da sie die Veranda leer finden, zieht der Referendar das Mädchen nach schneller, vorsichtiger Umschau in die Arme. Sie schmiegt sich an ihn, küßt ihn, streicht ihm das Haar aus der Stirn. Durch die offenen Türen sieht Benters dieses trauliche Bild, – zwei Menschen, die sich in Liebe gefunden. In seinem eigenen Herzen ist dieses Hoffen wieder erstorben, das in den letzten Wochen so schnell emporblühte … Und vor ihm droht die Zukunft mit ihrer steten wehmütigen Trauer.
Walther Kabel: Bix. In: Von Nah und Fern. Illustriertes aktuelles Unterhaltungsblatt für Jedermann. Beilage zur Lienzer Zeitung. Heft 27 S.1–4, Heft 28 S.2–5, Heft 29 S.2–5, Heft 30 S.1–5, Heft 31 S.6. Georg E. Nagel in Berlin-Schöneberg, Lienz 1913, Seite Nr.29,S.5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bix_0013.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)