Walther Kabel: Bix. In: Von Nah und Fern. Illustriertes aktuelles Unterhaltungsblatt für Jedermann. Beilage zur Lienzer Zeitung. Heft 27 S.1–4, Heft 28 S.2–5, Heft 29 S.2–5, Heft 30 S.1–5, Heft 31 S.6 | |
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Sie sich nicht wieder am Strande blicken ließen. – Beinahe müßte ich eifersüchtig werden …!“ fügte sie mit einem schalkhaften Lächeln hinzu, das ihrem schmalen Gesicht einen mädchenhaft unberührten Ausdruck verlieh, und strich ihrem Töchterchen dabei zärtlich über die blonden Locken. „Denn ich kenne mein scheues Kind kaum wieder. Bisher hat es ja so ängstlich jedes ihm fremde Gesicht gemieden, war stets so schwer zugänglich, besonders Herren gegenüber.“
Ungeduldig stand Bix noch immer neben Benters, hielt seine Hand fest umklammert.
„Mamchen,“ bat sie jetzt bescheiden mit einem sehnsüchtigen Blick nach der erst halbfertigen Grube hin, in dem ihr kleiner Spaten neben dem schwarz-weiß-roten Fähnchen lag, „laß doch den Onkel mit mir spielen. Er ist doch zu mir gekommen, der liebe Onkel …“ Und schmollend zog sie ihr Mäulchen kraus.
Verlegen schaute Benters zur Seite, und auch Frau Käti hatte schnell den Kopf gesenkt. Beide wußten ja nur zu gut, daß es sich anders verhielt, daß der Herr Assessor nicht des Kindes wegen früher so regelmäßig die Nähe des einen Strandkorbes aufgesucht hatte. – Dann zwang sich Frau Käti zu einem strengeren Tone, nur um die Situation zu retten.
„Du darfst nicht so aufdringlich sein,“ vermahnte sie die Kleine. „Wer weiß, ob der Herr Assessor für Dich Zeit hat …“
„Aber gewiß, gnädige Frau,“ beeilte sich Benters zu erwidern und beugte sich zu dem Mädelchen herab, daß so zaghaft zu ihm aufblickte, als ob es fürchtete, daß der große Spielgefährte ihm wieder verloren gehen könnte. „Wenn Sie gestatten, gnädige Frau, löse ich heute mein Versprechen ein und helfe Ihrem Töchterlein bei dem Bau der so heiß ersehnten Burg.“
Glückstrahlend zog Bix ihn jetzt die zwei Schritte zu der Grube fort, ohne die Antwort der Mutter abzuwarten, und bald waren sie eifrig bei der Arbeit, wobei Benters jedoch immer noch Zeit fand, Frau Käti in eine Unterhaltung zu ziehen, die bald jede Oberflächlichkeit verlor und sich in Bahnen bewegte, wie sie dem Naturell dieser beiden vom Leben schon so hart angefaßten Menschen entsprach. Daß Bix zuweilen recht ungehalten wurde, wenn das Gespräch eine längere Arbeitspause verlangte, und oft genug mit einem energischen „Aber Du bist ja ganz faul, Onkel!“ den Assessor zu größerem Fleiße antrieb, nahmen beide lachend hin. Und da auch Jarotzki inzwischen mit Fräulein Lisa sich schnell angefreundet hatte, was bei seiner Art sich zu geben und seinem glücklichen Temperament weiter kein Wunder war, so sah der alte, graue Strandkorb heute zum ersten Male eine fröhlich plaudernde Gruppe von Menschen um sich vereint.
Die Zeit verstrich wie im Fluge, und fast erschreckt sah Frau Käti plötzlich nach der Uhr, da sie zur Tischzeit in der Pension sein mußte. – Die beiden Freunde begleiteten die Damen, und wieder war es Jarotzki mit seiner liebenswürdigen Unverfrorenheit, der beim Abschied ohne viele Umstände für den Nachmittag einen gemeinsamen Ausflug am Strande entlang nach der Felsklippe von Adlershorst vorschlug, indem er sich ganz ernsthaft darauf berief, daß die Damen ja bisher so gut wie garnichts von den Ausflugsorten in der Nähe gesehen hätten und schließlich nach Königsberg zurückkehren würden, ohne das beste von Stranddorf, eben die Umgebung, kennen gelernt zu haben. –
Nach einigen zögernden Einwendungen Frau Trauts, die jedoch hauptsächlich durch das stumme, aber desto beredtere
Walther Kabel: Bix. In: Von Nah und Fern. Illustriertes aktuelles Unterhaltungsblatt für Jedermann. Beilage zur Lienzer Zeitung. Heft 27 S.1–4, Heft 28 S.2–5, Heft 29 S.2–5, Heft 30 S.1–5, Heft 31 S.6. Georg E. Nagel in Berlin-Schöneberg, Lienz 1913, Seite Nr.28,S.4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bix_0008.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)