in ihrer Schlichtheit und durch ihre Innerlichkeit zu den schönsten Proben deutscher Gemütstiefe zu rechnen.
Auf die Jugend greift der Mann gerne zurück, dem die Erinnerung auch den schweren Tag verklärt. Wie die Mutter zum Feste sich rüstet und der Vater zur Winterszeit auf die Jagd auszieht, wie in Berlin die treue Magd des Hauses all die Eierkuchen, auf die spät heimkehrenden Brüder scheltend, verloren gibt, wie wenig das Lernen nach der Schablone gefiel und wie erst Karl Eduard Bonell, der Lehrer auch seiner Söhne, der Rektor des Gymnasiums zum Grauen Kloster, in dessen Hause er als gerne gesehener, allen lieber Zögling weilte, ihn für Studien begeistern konnte, das kehrt in den Gesprächen des Alters wieder. Das Alter, sagt Bengel, schreibt gerne Personalien. Und in den Tischreden des Fürsten spielen diese Personalien gerne in die ernstesten Probleme hinein. Über allem Gewölke am politischen Himmel zieht lächelnd und leuchtend der Humor wie in Silberwolken dahin. Der Humor ist nicht der neckende, noch weniger der verletzende Witz, sondern das frohe Behagen, in dem das Bild zur Wirklichkeit und diese zum freundlichen Bilde wird. Es ist das selbst sich lösende Behagen am Scherze, der das Kleine ins Große zu erheben liebt und das Große am Unscheinbaren verständlich macht, der wohl tut, indem er verletzt, weil mit der Wehtat der Balsam gegeben ist. Wir sehen tief durch das helle, weltfrohe Auge, das auch den Blick ins Innere verstattet, in eine Welt von Gemüt und stillem Frieden, den die Stürme berühren und erschüttern, aber nicht entführen können. Und durch die „Lust am Fabulieren“, die der phantasievollen Mutter eigen war, hat der Sohn die wunderbare Gabe der Kleinmalerei gerade bei Schilderung von Erlebnissen und Vorgängen erhalten; wir lesen nicht, sondern wir erleben mit, nehmen Partei, werden dazu gezwungen und ruhen doch wieder in der geruhsamen Zuversicht aus, daß alles ja
Hermann von Bezzel: Bismarck und das deutsche Gemüt. Paul Müller, München ca. 1916, Seite 09. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bismarck_und_das_deutsche_Gem%C3%BCt_09.png&oldid=- (Version vom 19.7.2016)