Zum Inhalt springen

RE:Εἰσφορά

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
(Weitergeleitet von RE:Eisphora)
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
korrigiert  
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
außerordentliche, direkte Abgabe in griechischen Staaten, z. B. nach Krieg
Band V,2 (1905) S. 21492151
Bildergalerie im Original
Register V,2 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|V,2|2149|2151|Εἰσφορά|[[REAutor]]|RE:Εἰσφορά}}        

Εἰσφορά, eine außerordentliche, direkte Abgabe, durch die sich die griechischen Staaten, denen ja eine regelmäßige direkte Steuer fast völlig fehlte, zur Deckung von Kriegskosten oder [2150] in andern Notfällen auf dem schnellsten Wege die nötigen Geldmittel verschafften. Es ist eine allgemein griechische Einrichtung; εἰ. kennen wir (außer in Athen) in Siphnos (Isokr. XIX 36), Potidaia (Aristot. Oik. 6, mit interessanten Angaben über die Art der Schatzung), Sparta (? Aristot. Polit. II 6, 23), Aigina (IG IV 2, 12), Mytilene (IG XII 2, 39), im κοινὸν τῶν νησιωτῶν (Dittenberger Syll.2 202, 6), Mendae (Arist. oec. II 2, 21).

In Athen ist die εἰ. eine alte Einrichtung, die mindestens bis in die solonische Zeit zurückgeht. Allerdings berichtet Thuc. III 19 für das J. 428: Ἀθηναῖοι ἐσενεγκόντες τότε πρῶτον ἐσφορὰν διακόσια τάλαντα; doch versteht man jetzt allgemein dies als erste εἰ. während des Peloponnesischen Krieges (vgl. Thumser bei Hermann Griech. Staatsalt.6 699 u. a.). In der Tat findet sich jetzt bei Aristot. πολ. Ἀθ. 8, 3 die εἰ. schon für die Solonische Verfassung erwähnt; damals sind es die ναύκραροι, die mit ihrer Erhebung beauftragt sind. Mit Recht hat man schon früher (Boeckh u. a.) die Solonischen Schatzungsklassen als Grundlage der εἰ. angenommen; darnach war sie ursprünglich eine reine Grundsteuer, wurde aber später, wohl sicher vor dem Peloponnesischen Kriege, durch Heranziehung auch des beweglichen Vermögens zur Schatzung zu einer allgemeinen Vermögenssteuer. Eine gründliche Reform fand dann unter dem Archon Nausinikos (378/7) statt (Philochoros bei Harpocr. s. συμμορία); man nahm damals eine neue Schatzung vor und führte zugleich, um diese, wie auch die Eintreibung der Steuer für die Zukunft zu erleichtern, die Steuerverbände oder Symmorien ein (vgl. Art. Συμμορία). Einige Zeit später finden wir dann die προεισφορά, d. h. die Reichsten hatten für die Mitglieder ihrer Symmorie die εἰ. im voraus zu bezahlen (vgl. Προεισφορά). Von der εἰ. gab es keine Befreiung, auch Waisen, Erbtöchter und Metoeken waren ihr unterworfen. Letztere wurden wohl sogar in höherem Maße als die Bürger herangezogen, denn εἰσφορὰς μετὰ Ἀθηναίων εἰσφέρειν ist eine bekannte Vergünstigung für sie (z. B. IG II 121). Vielleicht gab es sogar besondere εἰσφοραί der Metoeken, denn die uns aus IG II 270 bekannte von 347/6–323/2 jährlich in Höhe von 10 Talenten erhobene εἰ., die für den Bau der Skeuothek bestimmt war, ist uns nur für die Metoeken bekannt; doch ist es nicht ausgeschlossen, daß auch die Bürger beizusteuern hatten (vgl. Fränkel in d. Ernst Curtius gew. hist.-phil. Aufsätzen 44). Ob der Ausdruck bei Dem. XXII 61: τὸ ἕκτον μέρος εἰοφέρειν μετὰ τῶν μετοίκων bedeutet, daß sie jedesmal den sechsten Teil der εἰ. zu decken hatten (Lipsius bei Schömann Gr. Altert. I4 499), oder mit Boeckh (Staatsh. I3 625) so zu erklären ist, daß ihr τίμημα (s. u.) den sechsten Teil ihres Vermögens betrug, ist kaum zu entscheiden. Um eine εἰ. zu beantragen, war wahrscheinlich die ἄδεια nötig (IG I 32). Es bestand wohl Selbsteinschätzung, doch unter Kontrolle der ἐπιγραφεῖς (s. d.), später der Symmorie. Ob die Erhebung durch staatliche ἐκλογεῖς erfolgte, ist zweifelhaft (s. Ἐκλογεῖς). Die Höhe der Steuer war jedenfalls nach dem Bedürfnis des einzelnen Falles verschieden; besonders schwierig ist aber dann die Frage, wie die Steuer umgelegt, [2151] wie weit die einzelnen Vermögen herangezogen wurden. Wenn Boeckh (a. a. O. I3 579ff.) aus der Angabe des Pollux (VIII 130), daß die erste Klasse 1 Talent, die Ritter ein halbes, die Zeugiten 10 Minen εἰς τὸ δημόσιον ἀνάλισκον, schon für die solonische Zeit eine progressive εἰ. annimmt, so ging er damit entschieden zu weit; die Worte bei Pollux sind in sich völlig unklar, Solon erwähnen sie gar nicht, die Vermutung ist somit zum mindesten unbeweisbar (Lipsius a. a. O. 495, 2). Anders steht es für die Zeit seit Nausinikos. Hier hat Boeckhs Theorie einer progressiven Vermögenssteuer nur vereinzelten Widerspruch gefunden. Immer aber noch unklar und schwierig ist die Frage nach dem Unterschied des Vermögens und des sog. τίμημα. Aus den beiden Hauptstellen Demosth. XXVII 9: Δῆλον μὲν τοίνυν καὶ ἐκ τούτων ἐστὶ τὸ πλῆθος τῆς οὐσίας · πεντεκαίδεκα ταλάντων γὰρ τρία τάλαντα τίμημα, ταύτην ἠξίουν εἰσφέρειν τὴν εἰσφοράν und ebd. 7: εἰς γὰρ τὴν συμμορίαν ὑπὲρ ἐμοῦ συνετάξαντο κατὰ τὰς πέντε καὶ εἴκοσι μνᾶς πεντακοσίας δραχμὰς εἰσφέρειν, ὀσόνπερ Τιμόθεος ὁ Κόνωνος καὶ οἱ τὰ μέγιστα κεκτημένοι τιμήματ' εἰσέφερον erschloß Boeckh (a. a. O. 599ff.) folgendes: Es sei nicht das ganze Vermögen zur εἰ. herangezogen worden, sondern nur ein bestimmtes ,Steuerkapital‘, das τίμημα; dieses habe bei den Reichsten 1/5 des Vermögens betragen, bei den Ärmeren degressiv weniger; 25 Minen sei das geringste noch zur Steuer herangezogene τίμημα gewesen. Auf dasselbe τίμημα bezog er die Angabe Demosth. XIV 19: τὸ τίμημ' ἐστι τῆς χώρας ἐξακισχιλίων ταλάντων, indem er das Vermögen Attikas auf 30 000 Talente berechnete; die Angabe des Polybios (II 62), das ganze Vermögen habe damals 5 750 Talente betragen, erklärte er für eine Verwechslung von τίμημα und Vermögen. Andere Erklärungen stammen von Rodbertus (Jahrb. f. Nationalökonom. VII 453): τίμημα = Einkommen (widerlegt von Lipsius Jahrb. f. Philol. 1878, 292. Thumser D. civ. Ath. muneribus, Wien 1880. Fränkel Herm. XVIII 314) und von Beloch (Herm. XX 237. XXII 371): τίμημα = Vermögen (dagegen Fränkel bei Boeckh Anh. 118, 821). Man muß wohl sagen, daß die Frage mit unsern heutigen Mitteln nicht völlig entschieden werden kann; denn wenn auch Beloch sicher bewiesen hat, daß Boeckhs Berechnung des attischen Nationalvermögens viel zu hoch ist, so ist doch seine eigene Erklärung jener beiden Demosthenesstellen ganz unhaltbar. (Die hier nicht angegebene Literatur am besten Thumser in K. F. Hermanns Griech. Staatsaltert.6 750f.). Vgl. ferner den ausführlichen Artikel von Lécrivain bei Daremberg-Saglio Dict. d. ant. gr. et rom. II 501ff.